Treten in Betriebsstätten Gefahrensituationen auf, nehmen Fluchtwege direkten Einfluss auf die Selbstrettungsmöglichkeiten der Belegschaft und Besucher. Insbesondere in Betrieben mit einer hohen Anzahl an Beschäftigten ist es deshalb von Bedeutung, dass alle Vorschriften zu Fluchtwegen – beispielsweise in Bezug auf ihre Mindestbreite – genau umgesetzt werden. Letztere werden in den Technischen Regeln für Arbeitsstätten ASR A2.3 festgelegt. Welche Anforderungen an Fluchtwege gestellt werden und wann sogar ein Nebenfluchtweg eingerichtet werden muss, erfahren Sie hier. Auch, was es mit der Kennzeichnung der Fluchtwege auf sich hat, können Sie hier nachlesen.
Diese Regelwerke gelten zum Fluchtweg
Damit der Fluchtweg im Notfall eine sichere Möglichkeit zur Evakuierung bietet, regeln verschiedene gesetzliche Bestimmungen die Anforderungen an Haupt- und Nebenfluchtwege. Unternehmer sind dazu verpflichtet, die Sicherheit und Gesundheit ihrer Mitarbeiter bestmöglich zu wahren. Deshalb geben die Technischen Regeln für Arbeitsstätten, aber auch die Arbeitsstättenverordnung diverse Vorschriften zu den Fluchtwegen vor. Neben der Fluchtwege Arbeitsstättenverordnung sind die Musterbauordnung und Anforderungen des jeweiligen Bundeslandes zu berücksichtigen. Einige Normen legen außerdem Details rund um Treppenräume, Angriffswege von Einsatzkräften und Notausstiegen fest – und sollten deshalb während Bau und Betrieb des Fluchtweges berücksichtigt werden:
- DIN ISO 7010: In dieser Norm werden unter anderem Kennzeichnungen für Fluchtwege festgelegt,
beziehungsweise graphische Symbole und Farben der zu verwendenden Sicherheitszeichen. - DIN 4066: Diese Norm regelt Hinweisschilder für die Feuerwehr, die ebenfalls im Fluchtweg
vorgefunden werden können. Dabei handelt es sich beispielsweise um die Markierung von Brandschutztüren
und Standorten von Löschwasserentnahmemöglichkeiten. - DIN 14090: Mit der DIN 14090 werden Vorgaben zu sonstigen Flächen für die Feuerwehr auf dem
Grundstück getätigt. Zu- und Durchgänge werden durch die DIN 14090 genormt, um die Erreichbarkeit auch mit
umfassender Ausrüstung zu ermöglichen. Damit vereinheitlicht die Norm die Schnittstellen, über die
Einsatzkräfte die Fluchtwege und damit gefährdete Personen erreichen. - DIN ISO 23601: Diese Norm wird als Grundlage bei der Erstellung von Flucht- und
Rettungsplänen herangezogen. Gleichzeitig handelt es sich um einen Leitfaden zur Verwendung der
Sicherheitskennzeichen (auch in Fluchtwegen).
Warum werden die Anforderungen an Fluchtwege benötigt?
Die genaue Einhaltung aller Anforderungen an Fluchtwege ist von Bedeutung, um die selbstständige Evakuierung aller im Gebäude befindlichen Personen zu ermöglichen. Der Fluchtweg muss in einen gesicherten Bereich oder ins Freie (zur Sammelstelle) führen, kann gleichzeitig aber auch als Angriffsweg für Rettungskräfte dienen. Aus diesen Gründen müssen angrenzende Bauteile so gestaltet oder gewählt sein, dass sie Feuer für eine Weile standhalten können – und damit sowohl der Selbst- als auch der Fremdrettung einen sicheren Rahmen bieten. Fluchtwege müssen allen Personen ausreichend Platz bieten, um Panik oder gar ein zu langsames Vorankommen zu verhindern. Gleichzeitig müssen sie ausreichend gekennzeichnet und beleuchtet sein.
Fluchtwege Arbeitsstättenverordnung: Alle Anforderungen an Hauptfluchtwege im Blick
Die wohl wichtigste Anforderung der Fluchtwege Arbeitsstättenverordnung lautet: Diese dürfen unter keinen Umständen als Stellplatz für Drucker, Lagerware oder sonstige Gegenstände genutzt werden. Diese könnte im Ernstfall den Evakuierungsstrom behindern und so für unnötige Verzögerungen sorgen. Zudem steigt durch solche Gegenstände die Wahrscheinlichkeit, dass der Fluchtweg bei einer starken Ausbreitung des Feuers schneller unbenutzbar erscheint. Ansonsten gelten folgende Anforderungen:
Fluchtwege müssen nach den Anforderungen der ASR A2.3 gekennzeichnet werden
Der Hauptfluchtweg des Betriebes darf maximal 35 Meter Länge besitzen – aus Räumen mit erhöhter Brandgefahr muss der Fluchtweg allerdings kürzer ausfallen
Die Höhe der Fluchtwege darf zwei Meter nicht unterschreiten
Türen und Notausgänge müssen in Laufrichtung des Fluchtweges geöffnet werden können
Eine barrierefreie Gestaltung sollte ebenfalls bedacht werden
Wie breit muss ein Fluchtweg sein? Die Mindestbreite von Fluchtwegen liegt bei 0,90m (bei bis zu fünf Personen) und steigt mit der Anzahl der Mitarbeiter
Türen müssen sich im Verlauf des Fluchtwegs ganz ohne Hilfsmittel schnell und leicht öffnen lassen
Fluchtwege müssen mit einer Sicherheitsbeleuchtung ausgestattet sein
Hauptfluchtwege dürfen nicht über Wendeltreppen führen
Notausgänge und Notausstiege müssen auch von außen als solche gekennzeichnet und stets freigehalten werden
Aufzüge dürfen unter keinen Umständen als Teil des Fluchtweges gewertet werden
Unter Umständen muss der Verlauf des Fluchtweges durch einen Flucht- und Rettungsplan kenntlich gemacht werden
Wie breit müssen Fluchtwege sein? Bei der Umsetzung der Anforderungen muss genau darauf geachtet werden, dass der Fluchtweg den Gegebenheiten vor Ort entspricht. Wie zuvor genannt, ist eine Mindestbreite von 0,90m zu berücksichtigen – allerdings nur in eher kleinen Betrieben mit wenig Mitarbeitern. Bei bis zu 20 Personen im Betrieb muss der Fluchtweg bereits ein Meter Breite messen, bei bis zu 120 Mitarbeitern sogar 1,2m.
Anforderungen an Bauteile im Fluchtweg
In der DIN 4102-2 werden die möglichen Bauteile nach ihrem Feuerwiderstand klassifiziert. Dabei geht es um die Feuerwiderstandsdauer, die in Minuten gemessen wird und der Widerstandsklasse direkt entnehmbar ist. Ein Bauteil der Klasse F30 hält einem Brand beispielsweise 30 Minuten stand. Welche Feuerwiderstandsklasse für die an den Fluchtweg angrenzenden Bauteile gilt, hängt von der jeweiligen Gebäudeklasse ab. Für zahlreiche Gebäude reicht eine Feuerwiderstandsklasse von mindestens 30 Minuten für Bauteile am Fluchtweg aus (F30) – je länger diese jedoch einem Brand standhalten und eine sichere Flucht und Rettung ermöglichen können, desto besser.
Flucht- und Rettungspläne erstellen
Die Arbeitsstättenverordnung gibt vor, dass Betriebe in bestimmten Fällen einen Flucht- und Rettungsplan zur besseren Orientierung im Ernstfall ausstellen müssen. Das ist dann der Fall, wenn es sich um Arbeitsstätten mit einem hohen Aufkommen ortsunkundiger Besucher handelt. Aber auch, wenn die Fluchtwegführung in der Nutzungseinheit besonders unübersichtlich ausfällt. Zeichnet sich das Gebäude durch eine erhöhte Brandgefahr aus oder weicht der Fluchtwegverlauf stark von den üblichen Verkehrswegen der Belegschaft ab, sollte ebenfalls ein Flucht- und Rettungsplan erstellt werden. Für folgende Gebäudearten ist der Flucht- und Rettungsplan in der Regel verpflichtend:
- Öffentliche Einrichtungen wie Kindergärten und Schulen
- Krankenhäuser
- Herbergen / Hotels
- Büros
- Arbeitsstätten
Der Flucht- und Rettungsplan soll die Orientierung zur Selbstrettung ermöglichen, indem er auf nur einen Blick auf die Fluchtrichtung und Sammelplätze aufmerksam macht. Er weist außerdem auf Lösch- und Hilfsmittel mit, die im Notfall von Bedeutung sein könnten. Flucht- und Rettungspläne müssen übersichtlich, gut lesbar und leicht verständlich erstellt werden.
Flucht- und Rettungspläne stets aktuell halten
Es ist vorgeschrieben, dass Flucht- und Rettungspläne mindestens alle zwei Jahre überprüft werden müssen. Hierbei gilt es herauszufinden, ob die Pläne noch den aktuellen Gegebenheiten entsprechen. Wurden bauliche Änderungen vorgenommen, die den Fluchtweg oder Standort von Meldeanlagen und Hilfsmitteln verändern, müssen diese schnellstmöglich in Flucht- und Rettungspläne eingetragen werden. Nur so lässt sich verhindern, dass veraltete Informationen bei der Evakuierung für unnötige Verzögerungen oder gar gravierende Missverständnisse sorgen.
Nutzung der Fluchtwege sollte geübt werden
Verantwortliche müssen die Belegschaft anhand der Flucht- und Rettungspläne unterweisen. Hierbei sind Evakuierungsübungen vorzunehmen, damit sich Mitarbeiter möglichst gut mit dem kürzesten Fluchtweg im Betrieb auskennen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Selbstrettung im Ernstfall auf ruhige, geordnete und möglichst sichere Weise abläuft – und es nicht zu unnötigen Gefährdungen der Mitarbeiter kommt. Die Unterweisung sollte einmal jährlich stattfinden. Bei häufig wechselnder Belegschaft sollten die Intervalle allerdings entsprechend angepasst werden. Während der Unterweisung hat der Arbeitgeber auch auf mögliche Gefahrenquellen im Betrieb hinzuweisen, sowie auf Maßnahmen, die eine Brandentstehung verhindern sollen.
Kennzeichnung Fluchtwege: Das sollte beachtet werden
Auch bei der Kennzeichnung von Fluchtwegen gilt es einiges zu berücksichtigen. In einer Notsituation sollten alle im Gebäude befindlichen Personen gefährdete Bereiche auf sichere Weise selbst verlassen können. Hierbei ist die richtige Kennzeichnung der Fluchtwege hilfreich: Sie weist auf die Fluchtrichtung und Notausgänge hin, um eine sofortige Orientierung zu ermöglichen. Diese Anforderungen an die Kennzeichnung der Fluchtwege ergeben sich aus den Arbeitsstättenregeln:
- Zur Kennzeichnung der Fluchtwege müssen hochmontierte Sicherheitszeichen nach DIN EN ISO 7010 verwendet werden
- Sicherheitszeichen sind im Verlauf des Fluchtweges über Türen und Notausgängen anzubringen
- Die Zeichen müssen in mindestens 2m Höhe montiert werden, höchstens aber 2,5m Höhe
- Bei der Montage an Wänden parallel zur Fluchtwegrichtung ist eine Höhe von 1,7 bis 2m zu beachten
Die Erkennbarkeit der Sicherheitszeichen muss zu jeder Zeit gewährleistet sein – auch in Betrieben ohne Sicherheitsbeleuchtung. Daher sollten die Sicherheitszeichen möglichst auf langnachleuchtendem Material abgebildet werden. Dieses gewährt die Sichtbarkeit nach Ausfall der Hauptbeleuchtung noch bis zu zwölf Stunden lang. Außerdem ist auf die richtige Größe der Zeichen zu achten. Je größer der Betrachtungsabstand ausfällt, desto größer sind die Sicherheitszeichen zu wählen.
Optische Sicherheitsleitsysteme können ebenfalls zu einer besseren Orientierung im Notfall verhelfen. Dieses hilft dabei, dem Fluchtwegverlauf besser folgen zu können, weist aber auch auf Treppenstufen hin und erhöht so die Sicherheit der Evakuierenden. Die Sicherheitsleitsysteme können auch in Bodennähe angebracht werden – und erhöhen so die Sichtbarkeit bei Verrauchung des Fluchtweges.
Übrigens: Auch Fluchtweg-Kennzeichnungen sind regelmäßig zu überprüfen. Das Augenmerk sollte nicht nur auf die Aktualität der Zeichen in Bezug auf die Gegebenheiten gelegt werden, sondern auch auf möglichen Staub und Schmutz.
Wann ist ein zweiter Fluchtweg erforderlich?
In verschiedenen Fällen kann es erforderlich sein, einen zweiten Fluchtweg im Betrieb einzurichten. Dies ist immer der Fall, wenn der Betrieb über einen Aufenthaltsraum verfügt. Auch in Betrieben mit besonders großflächigen Räumlichkeiten (in Großraumbüros ab 400 Quadratmetern Fläche beispielsweise), muss ein zweiter Fluchtweg eingerichtet werden. Dies ist weiterhin der Fall, wenn in dem Gebäude mit einem besonders hohen Besucheraufkommen zu rechnen ist. Bei der Einrichtung des zweiten Fluchtweges ist Folgendes zu beachten:
- Der zweite Fluchtweg darf auch über Wendeltreppen, Stiegen und Notausstiege führen
- Der zweite Fluchtweg kann auch durch Einsatzgeräte der Feuerwehr gewährleistet werden
- Notausstiege müssen eine Mindestbreite von 0,90m erfüllen – es ist eine Mindesthöhe von 1,2m vorgeschrieben
- Bei Notausstiegen durch Deckenöffnungen reichen die Maße 0,7 x 0,7m aus
Notausstiege müssen – ebenso wie Notausgänge – von außen als solche markiert werden. Es muss außerdem sichergestellt werden, dass die Bereiche an Notausstiegen nicht durch parkende Fahrzeuge versperrt werden. Es handelt sich um Flächen für die Feuerwehr, deren Zugänglichkeit jederzeit zu gewährleisten ist.
Worin liegt der Unterschied zwischen Fluchtwegen und Rettungswegen?
In den Bauordnungen wird nicht zwischen Flucht- und Rettungswegen unterschieden. Der Begriff Rettungsweg wird hier synonym für beide Wegarten genutzt. Lediglich in den Sonderbauverordnungen sind mit Rettungswegen (oder auch Angriffswege) explizit für Einsatzkräfte vorgesehene Wege gemeint,
Allgemeinhin gilt:
- Mit Fluchtwegen sind jene Wege gemeint, die eine Selbstrettung, beziehungsweise sichere und selbstständige Evakuierung aller im Gebäude befindlichen Personen ermöglichen
- Mit Rettungswegen (oder auch Angriffswege) sind alle Wege gemeint, die eine Fremdrettung durch Einsatzkräfte oder auch die Brandbekämpfung ermöglichen
Im Arbeitsschutzrecht ist vor allem von Fluchtwegen die Rede, die der Evakuierung ins Freie dienen. Da Fluchtwege in Gebäuden in der Regel von Einsatzkräften auch als schnellstmögliche Möglichkeit, zu Betroffenen oder gar dem Brandherd zu gelangen, genutzt werden, ist häufig von Flucht- und Rettungswegen gemeinsam die Rede. Meist ergänzen sich beide Wegarten.
Was ist in Bezug auf den Hauptfluchtweg nicht zulässig?
Damit die Selbstrettung nicht behindert oder verzögert wird, sollten Hauptfluchtwege nie über Aufzüge oder Fahrsteige führen. Zudem darf ein Fluchtweg nicht durch Bereiche des Betriebes führen, die sich durch eine erhöhte Brandgefahr auszeichnen. Türen müssen sich in Richtung des Fluchtwegverlaufs öffnen lassen – und zwar ganz ohne Hilfsmittel. Solche Türen dürfen nicht abgeschlossen werden. Ist das Absichern der Räumlichkeiten zwingend notwendig (beispielsweise um unbefugtes Eintreten zu verhindern), können Türen mit einem Panikschloss verwendet werden. Letzteres sorgt dafür, dass die Tür von innen schnell und einfach geöffnet werden kann – auch wenn sie von außen nicht zu öffnen ist. Drehtüren und Schiebetüren dürfen kein Teil des Fluchtweges sein, wenn sie manuell betätigt werden müssen.
Anforderungen an die Sammelstelle
Der Fluchtweg muss auf möglichst kürzestem Wege zu einer Sammelstelle führen, die vor Gefahren durch den Brand schützt, einen guten Überblick über alle Evakuierten gewährt und eine Koordinierung von Rettungsmaßnahmen verbliebener Personen möglich macht. Dazu muss auch die Sammelstelle einigen Anforderungen gerecht werden:
- Es sollte sich um einen befestigten und möglichst ebenen Platz handeln
- Die Sammelstelle sollte sich in sicherer Entfernung zum Gebäude befinden (um beispielsweise vor herabfallenden Teilen oder Rauch zu schützen)
- Sammelstellen sollten auch für Menschen mit eingeschränkter Mobilität gut zugänglich sein
- Sie sollte sich abseits von Verkehrswegen befinden
- Eine Sammelstelle darf nie auf den für die Feuerwehr vorgesehenen Flächen liegen
- Die Sammelstelle muss entsprechend gekennzeichnet werden
- Die Kennzeichnung sollte an Säulen, Gebäuden oder Pfeilern in ausreichender Höhe angebracht werden
- Das Zeichen muss groß genug gewählt werden, um eine gute Erkennbarkeit zu gewährleisten
Die Sammelstelle ist im Flucht- und Rettungsplan entsprechend zu kennzeichnen, um Betrachtern das Ziel der Evakuierung kenntlich zu machen.